4:45 Uhr, der Wecker klingelt. Ich schäle mich aus der behaglichen Wärme des Bettes und stelle die Heizung an. In unserem Camping-Bus ist es noch eiskalt von der vergangenen Nacht. Die Sonne scheint seit dem 17. Mai zwar die ganze Nacht. Trotzdem wird es in den Abendstunden deutlich kälter.
Der erste Blick geht nach draußen. Wetter-Check – ist das Wetter gut genug, um auf Skitour zu gehen? Passen die Sichtverhältnisse? Der kurze Blick aus dem Auto sagt uns, dass das Wetter heute sehr gut wird.
Wir stehen zügig auf und frühstücken. Wenig später holen wir unsere fertig gepackten Rucksäcke und die Tourenskier aus dem Auto. Die Sonne scheint und rundum stehen riesige, beeindruckende Berge. In der Ferne glitzert ein Fjord mit seinem tiefblauen Wasser. Wir ziehen los. Skischuhe anziehen, Felle auf die Ski aufziehen, klick in die Bindung und los geht es.
So sieht ein typischer Morgen der letzten zwei Wochen unserer Tour aus. Wir sind unterwegs in Nordnorwegen zum Skitourengehen.
Norwegen pur am Laslettind
Nach unserem Besuch in Alta sind wir zum Jökelfjord gefahren. Als wir mit unserem Bus über den letzten Pass vor dem Fjord fahren, fallen uns Skitourengeher am Straßenrand auf. Ich bremse, öffne das Fenster und eine lebhafte Unterhaltung mit vier jungen Norwegern beginnt. Was kann man hier in der Gegend machen? Wo kommt ihr her? Welche Touren habt ihr gemacht? Wie war dort der Schnee? – eigentlich fast wie in den Alpen, wenn man auf andere Skitourengeher trifft. Und doch ist auch etwas ganz anders: die vier Norweger wohnen im Zelt am Ufer, nicht etwa auf einem Campingplatz, sondern einfach mitten in der Landschaft. Friluftsliv vom Feinsten.
Das wäre bei uns schon ziemlich ungewöhnlich, besonders zu dieser Jahreszeit. Hier scheint es ganz normal zu sein, bei Temperaturen zwischen 0 und 10 Grad das Zelt als gemütliche Bleibe anzusehen. Wir sind beeindruckt. Wieder einmal mehr überzeugt uns der norwegische Lebensstil! Beim abendlichen Zusammensitzen am Lagerfeuer, übrigens mit Traumblick auf den Fjord und die dahinterliegenden vergletscherten Berge, bekommen wir einen Tourentipp für den nächsten Tag.
Der Lassletind ist ein kleiner Skitourenberg bei Alteidet. Man schafft den Aufstieg und die Abfahrt in etwa 2 Stunden. Die Abfahrt über den Rücken ist traumhaft genial! Wirklich lohnend ist die Tour aber wegen dem gewaltigen Panorama vom Gipfel. Im Westen ragen die Zacken des Kvaenangen Massivs in den Horizont, im Norden fällt der Blick auf den Oksfjord Gletscher und rund um liegen rund 800 Meter tiefer blaue, in der Sonne glitzernde Fjorde.
Von einer Parkbucht an der Straße FV365 (genau dort, wo man von Alteidet kommend das Hochtal erreicht und die Straße nicht mehr bergan führt) startet man nach Westen. Über eine kleine Brücke quert man dazu den Bach und steigt dann dem Rücken folgend 600 Höhenmeter bis zum Gipfel auf. Abfahren kann man entweder entlang der Aufstiegsspur oder man hält sich etwas nördlich und fährt in den Kessel mit dem See ab. Bei der Abfahrt in den Kessel gilt es einen Blick auf die Schneeverhältnisse zu werfen – unter Umständen kann es hier zu Lawinen kommen. Schon gegen 11 Uhr sind wir wieder am Auto und lassen die wunderschöne Abfahrt und den beeindruckenden Ausblick während der Tour bei Kaffee und Keksen nachwirken.
Storhaugen – perfektes Skivergnügen auf weiten Hängen, Lyngen Blick inklusive!
Der Storhaugen ist ein recht bekannter Skitourenberg in Nordnorwegen. Er liegt in der Region Kåfjord bei der Ortschaft Djupvik. Vom Storhaugen hat man einen wundervollen Blick auf die Lyngenalpen und die Insel Uløya. Wir finden den Berg schon bei der Anfahrt von Norden her wunderschön.
Am nächsten Morgen starten wir am Parkplatz beim Friedhof. Auf dem Sommerwanderweg laufen wir durch matschige Wiesen nach Süden. Die Schneeschmelze zeigt hier in den tiefen Lagen schon deutlich ihre Wirkung. Dann folgen wir einem Bachlauf Richtung Osten bergauf. Sobald die Baumgrenze erreicht ist, biegen wir leicht nach Nordost ab und halten uns nun stetig bergan Richtung Gipfel. Über weite Hänge ziehen wir unsere Spur zum Gipfel. Am Gipfel ist es sehr windig, also beschließen wir die makellosen Idealhänge unter uns ohne vorherige Brotzeit zu genießen :). Unsere Jauchzer schallen weit durch die Berge und wir genießen die 700 Höhenmeter Geschwindigkeitsrausch bis zur Waldgrenze :)!
Kjevagtinden – vom Hafen auf den Gipfel
Der Kjevagtinden ist ein echtes Tourenschmankerl – nicht nur wegen dem Berg selbst, sondern auch wegen der Umgebung. Die Besteigung beginnt eigentlich schon am Vortag. Von Rotsund aus nimmt man die Fähre und setzt über in den idyllischen Ort Havness. Dort laden renovierte Fischerhäuser an einem malerischen Hafen zur Übernachtung ein. Auch für Campingfahrzeuge und Zeltler finden sich entlang der Uferstraße nach Norden traumhafte Übernachtungsplätze (!).
Als ich am Abend von unserem Übernachtungsplatz noch einmal in den Ort Havness spaziere, werde ich Zeuge einer ganz besonderen Begebenheit. Am Hafen haben sich die Einwohner des kleinen Ortes versammelt – mit Fahnen und Feuerwerk. Havness ist eine der ältesten Orte Norwegens mit einer rund 6000 jährigen Siedlungsgeschichte. Und aufgrund dieser Bekanntheit und auch aus Stolz der Dorfbewohner auf ihren geschichtsträchtigen Ort begrüßen die Bewohner die vorbeifahrenden Hurtigruten Schiffe – mit Feuerwerk, selbst gebastelten Schiffshörnern und Fahnen!
Von Havness aus folgt man dem Schotterweg, der etwas nördlich vom Hafen bergan führt (Schild: Turstier). Wenig später geht es durch ein Gatter mit einer Holztafel daneben. Danach biegt man nach Rechts in die erste steil in den Wald bergauf führende Abzweigung ab, dann die nächste Abzweigung (Schild: Winterloipe Symbol) wieder rechts. Nun folgt man einer Schneemobil-Spur nach Südosten bergauf – sie ist leicht zu finden, da an den Bäumen blaue Bänder als Markierung angebracht sind. Auf etwa 380 Metern Höhe erreicht man die Baumgrenze. Nun zieht sich die Route mit ausreichend Abstand zum im Süden gelegenen Steilabbruch bis kurz unter den Vorgipfel des Kjevagtinden. Von hier aus läuft man etwas nach links, um sich dann rechts Richtung Gipfel zu halten. Die Abfahrt folgt den Aufstiegsspuren.
Der Aufstieg auf den Kjevagtinden gilt als sehr lawinensicher. Die Steilheit überschreitet 25 Grad an keiner Stelle, wenn man seine Route an das Gelände anpasst. Die Abfahrt bis zur Waldgrenze geht über weite Hänge und ist ein Traum. Firn vom Feinsten! 🙂
Tromsdalstinden – der Hausberg von Tromsø
Eigentlich wollten wir heute das Schlechtwetter umgehen und das W-Lan in der Bibliothek von Tromsø nutzen. Aber alles kommt anders. Als wir Morgens aufstehen, lacht uns die Sonne schon durch die Dachluke über unserem Bett an. Also stehen wir zügig auf und beschließen heute den Tromsdalstinden unter die Ski zu nehmen. Der 1250m hohe Berg ist der Hausberg von Tromsø.
Als wir von der Innenstadt über die Brücke nach Osten fahren, leuchtet uns der majestätische Gipfelgrat des Bergs bereits von Weitem entgegen. Kurz folgen wir vom Auto aus der Schotterstraße ins Tromsdalen hinein, dann können wir schon auf die Ski umsteigen. Wir folgen dem Tal, steigen dann rechts über eine Schulter bergan und umrunden in weiter Runde den Talschluss des Tromsdalen. Zwischendurch fragen wir uns schon, wann wir endlich den Gipfelaufbau des Tromsdalstind sehen werden.
Die letzten 500 Höhenmeter geht es steil bergan auf dem runden Rücken des Tromsdalstind – immer Richtung Norden auf den Gipfel zu. Ab und an bleiben wir stehen und diskutieren über die Schneeverhältnisse. Hat es hier zu starke Triebschneeablagerungen? Kommen wir der Wechte rechterhand zu nahe? Gemeinsam entscheiden wir weiter Richtung Gipfel aufzusteigen und freuen uns 45 Minuten später über dessen erfolgreiche Besteigung. Zwischendurch hatten wir teilweise doch weiche Knie. 🙂 Der Schnee mit seinen Windspuren und große Wechten haben uns ein wenig eingeschüchtert.
Bisher hat uns in Norwegen noch keine Skitour in Sachen Abfahrt enttäuscht. Dieses Mal bin ich neugierig, als ich am Gipfel in die Bindung steige und die ersten Schwünge mache. Meine Skepsis wird schnell in Luft aufgelöst. Wieder einmal erwarten uns perfekte Schneeverhältnisse! In butterweichem Firnschnee sausen wir in sportlichen Schwüngen dem Tal entgegen.
Abends steigen wir totmüde, aber glücklich in’s Bett. Wir sind schon gespannt was uns die kommenden Tage und Wochen erwartet. Das Skitourengehen war jedenfalls ein echtes Highlight bisher! 🙂
Weitere Infos zu den Touren
- Storhaugen: Tourenbeschreibung
- Kjevagtinden: Tourenbeschreibung
- Tromsdalstinden: Tourenbeschreibung
Wundervoll! Ganz tolle Bilder!
Da wird man richtig neidisch. Trotz Japan^^
Ich wünsche euch nur das Beste!